Matthias Klissenbauer - Wenn zwei sich streiten und eine gemeinsame Lösung finden
Ihr steckt in einer Konfliktsituation fest und wollt den Weg vor das Gericht vermeiden? Matthias legt euch diese Seite ans Herz: avm.or.at Dort findet ihr eine Auflistung aller AnwältInnen im Bereich des Collaborative Law.
Wenn er nicht zwischen Parteien vermittelt, spielt Matthias in der Bratfisch. Ihre Musik findet ihr auf der Homepage bratfisch.or.at auf Spotify oder auf der Musikplattform eurer Wahl.
Unsere Podcast Folge mit Irina und Klaudija zum Museum of Survivors findet ihr hier.
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(05:23) Ich habe mir dieses Jahr den Wunsch erfüllt, nach Finnland zu fahren. (09:18) Nach einer kurzen Recherche über Collaborative Law habe ich mich entschlossen, die Ausbildung zu beginnen und kann sagen, dass das eine der größten Bereicherungen meiner beruflichen Fortbildung war. (09:29) Collaborative Law hat mir nochmal einen ganz anderen Fokus gegeben. (09:34) Collaborative Law hat mir gezeigt, auf wie viele Arten man Rechtsanwalt sein kann und auf wie viele Arten man in Konflikten agieren kann, ohne auf destruktive Muster zu verfallen. (10:37) Die Parteienvertreter haben im Collaborative Law Verfahren eine ganz andere Funktion als bei einer Mediation. (10:50) Der Mediator ist zur strikten Neutralität verpflichtet, darf also keine der beiden Parteien vertreten. (11:04) Der Rechtsanwalt ist eigentlich von der Berufsausbildung her eher darauf trainiert, sozusagen eine der beiden Parteien gegen die jeweils andere zu vertreten. (11:17) Ein Anwaltsmediator darf keine der beiden Parteien gegen die andere beraten. (11:29) Ein Anwaltsmediator darf am Schluss einer Mediation die getroffene Vereinbarung verschriftlichen und zum Beispiel auch einen Scheidungsvergleich für die Verwendung bei Gericht vorbereiten, aber er muss trotzdem neutral bleiben. (11:58) Im Collaborative Law Verfahren ist es so, dass jede Partei ihren eigenen Anwalt hat. (12:20) Der Unterschied allerdings zu einem streitigen Verfahren ist, dass man beim Collaborative Law Verfahren nicht nur die Interessen des jeweils eigenen Mandanten im Auge haben soll, sondern auch die Interessen des Gegners und die Gesamtsituation den Vorrang hat. (13:08) Im Collaborative Law Verfahren sieht man den gegnerischen Anwalt nicht als Gegenspieler, sondern als Teampartner, der gemeinsam dieselben Zielsetzungen hat, nämlich für die Gesamtsituation eine möglichst optimale Lösung zu finden. (13:46) Der Teamaspekt ist besonders wichtig, nämlich dass man mit den Klienten und den Anwälten gemeinsam versucht, jeder mit seinen eigenen Ressourcen zu einer möglichst guten Lösung zu kommen. (14:40) Wenn ich als Anwalt im Collaborative Law Verfahren vertrete, dann darf ich nachher im streitigen Verfahren dieselben Mandanten in dieser Sache nicht vertreten. (15:00) Weder der Klient noch der Gegner muss befürchten, dass Informationen und Gespräche, die in dem sicheren Rahmen geführt werden, später im Verfahren gegen einen verwendet werden, wenn es wider Erwarten doch nicht zu einer Lösung kommt. (15:38) Es hat ja auch durchaus Vorteile, wenn man sich sagt, man unterwirft sich den Regeln des Gesetzgebers und ernennt einen Unabhängigen, der darüber entscheiden soll. (16:09) Es ist schon so, dass man eigentlich in der Ausbildung praktisch gar keine oder nur sehr wenige Tools lernt, wie man in Konflikten überhaupt agiert und wie man mit Emotionen umgeht, wie man mit Kommunikationsthemen umgeht. (16:32) Das Lösen der Rechtsfragen, wie man es auf der Uni lernt, nimmt eigentlich gar nicht so einen großen Teil ein. (16:52) Aber in der Praxis ist es doch so, dass die Kommunikation mit dem Klienten und die Strategie gegenüber dem Gegner auch sehr viele außerrechtliche Fragen berührt, mit denen man in der Ausbildung eigentlich nicht konfrontiert wird. (19:04) Man ist als Rechtsanwalt in jedem Konflikt auch selber Teil des Systems. (19:18) Man muss selbst analysieren, wo man in dem Konflikt steht und wie man mit dieser Rolle umgeht und ob man sich vielleicht mit dem einen oder anderen Problem auch irgendwie identifiziert oder solidarisiert. (19:69) Eine große Challenge ist die, die immer bleibt, weil man natürlich auch als Rechtsanwalt, so wie als Mediator, aber auch als Therapeut oder Psychologe, Mensch bleibt mit seinen eigenen Emotionen und mit manchen Situationen schlichtweg einfach schlecht umgehen kann als mit anderen. (22:35) Das Collaborative Law Verfahren kommt aus dem Familienrecht und wurde primär für Scheidungen erdacht. (22:51) Es gibt vielleicht gemeinsame Interessen, und es gibt vor allem vielleicht Kinder, wo man auch in einer Konfliktsituation dem anderen nicht mehr Schaden zufügen möchte, als unbedingt sein muss. (26:18) Es gibt im Collaborative Law Verfahren auch die Möglichkeit, psychologische Betreuung dazuzunehmen, externe Experten für den psychosozialen Bereich. (26:50) Wenn man sich über Monate oder sogar Jahre damit beschäftigen muss, was der andere falsch gemacht hat, ist es unvermeidlich, dass man sich selber in diesen Emotionen bestärkt. (31:12) Ich muss sagen, dass sich durch die Zusatzausbildung für mich der Zugang zum Streit geändert hat, weil ich es einfach als Variante wahrnehme, die manchmal ihre Vorteile hat. (31:30) Wenn die Parteien schlichtweg nicht bereit sind, in einer Mediation im Collaborative Law Verfahren eine Lösung zu finden, dann ist der Gang zu einem Richter eine durchaus konstruktive Art und Weise, weil ein externes Organ, das dazu geschult wurde, nach gewissen Regeln den Streit beendet. (32:11) Die emotionalen Phasen und dort, wo der Konflikt aufbricht, sind immer ein Fingerzeig dafür, wo eigentlich die Probleme liegen. (32:24) Die schwierigsten Fälle oder die, die auch unbefriedigend zu lösen sind, sind eigentlich die, wo die Parteien die heißen Themen nicht ansprechen können oder wollen. (32:39) Zu einer Lösung kommt man eigentlich oft erst dann, durch und mit dem Streit. (32:48) Ein guter Konflikt ist der, aus dem man etwas mitnimmt und aus dem man etwas lernen kann. (34:17) Wenn man selber Streitpartei ist, dann sind wahrscheinlich die Psychotherapeuten noch die schwierigeren Streitpartner. (34:56) Es gibt meiner Meinung nach kein Rezept, das man über alle Verfahren und alle Situationen drüberlegen kann. (38:34) Worauf man schon aufpassen muss, ist, dass man in einer emotionalen Situation nicht beleidigend wird. (39:05) Man bleibt natürlich trotzdem Rechtsanwalt, ich kann nicht beanspruchen oder mir anmaßen, den Klienten psychologisch zu betreuen. (41:29) Ich glaube, dass es generell eine psychohygienische Herausforderung ist für Anwälte. (44:06) Wenn jemand in der Lage ist, über sich selbst zu scherzen, dann zeigt das eine Form der Reflexion, dass sich jemand selbst nicht zu wichtig nimmt. (46:12) In einer sehr eskalierten Situation sind die Parteien natürlich für Humor wenig zugänglich. (47:24) Die Stresssituation verhindert, dass das Gehirn die Informationen auf eine sachliche Art und Weise verarbeiten kann. (49:41) Das Collaborative Law Verfahren ist eigentlich vor allem überall dort besonders naheliegend, wo es um die Erhaltung, um die Aufrechterhaltung von Beziehungen geht. (49:53) Wo Parteien möglicherweise nach einem Rechtsstreit trotzdem miteinander zu tun haben, wie zum Beispiel im Nachbarschaftsstreit, aber auch im Erbschaftsstreit, dort ist besonders wichtig zu schauen, ob man nicht durch ein Gerichtsverfahren Kollateralschaden anrichtet, der dann schwer wieder gutzumachen ist. (50:16) Was habe ich von einem gewonnenen Gerichtsverfahren gegen einen Nachbarn, mit dem ich dann über Jahre oder Jahrzehnte verfeindet nebeneinander lebe? Dann muss ich mir schon klar werden darüber, dass auch ein Sieg möglicherweise nicht das Ende ist. (54:04) Ich habe durch die Beschäftigung mit diesen Themen extrem viel gelernt, was mein Leben beruflich, aber auch privat sehr bereichert hat, dafür bin ich sehr dankbar. (54:43) In fünf Jahren würde ich mir wünschen, nicht nur auf diesem Weg weiter fortzuschreiten und diesen Austausch noch zu intensivieren, auch über die Grenzen Österreichs hinaus. (55:58) Ich glaube, dass sowohl Mediation als auch das Collaborative Law Verfahren eine friedensstiftende Wirkung hat, im wahrsten Sinne des Wortes. (56:15) Wenn man aus jedem Konflikt, den man auf konstruktive Art und Weise bewältigen lernt, etwas mitnimmt und, wie ich glaube, unbewusst oder bewusst in den nächsten Konflikt auch hineinnimmt und dann sieht, dass es eigentlich emotional viel besser geht. (57:35) Man muss kein Idealist sein und den allgemeinen Frieden wollen, wenn man für den eigenen Konflikt einen konstruktiven Zugang findet. (59:46) Es gibt auf der anderen Seite auch nichts, was von vornherein aussichtslos wäre. (59:52) Es kann zwar manchmal schwierig erscheinen, aber es gibt immer Wege und Mittel und es gibt immer Leute, die einem helfen können.
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