Judith Kohlenberger - Gegen die neue Härte
(10:31) Ein kleiner Teil von mir denkt bei jedem Kaffee, den ich trinke, daran zurück, dass es ein Privileg ist, dass ich den Kaffee wieder trinken kann.
(11:49) Man gewöhnt sich an das hohe Level an Komfort und nimmt es als gegeben wahr.
(13:27) Fehlender Empathie ist eine fehlende Vorstellungskraft vorgelagert.
(17:17) Menschen werden fremder gemacht als sie eigentlich sind. Dies verhindert die Nähe zum anderen, die Zugewandtheit und das Durchlässigbleiben für das Schicksal des anderen.
(19:02) Wir schaffen es nicht mehr, uns an die Stelle jedes anderen zu denken.
(19:36) Wir müssen vom Abstrakten ins Konkrete gehen. Es braucht ein konkretes Gegenüber, ein Gesicht und eine Geschichte.
(20:56) Jede einzelne Person, die in Moria gesessen ist, hatte auch davor mal ein erfolgreiches und funktionierendes Berufs- und Familienleben.
(25:45) Zunehmend bin ich, weil ich zu Migration und Flucht forsche, nur mehr Projektionsfläche, und es ist auch egal, was ich konkret inhaltlich sage.
(30:05) Ich versuche, Menschen eine Basis zu geben, um zu eigenen Schlüssen zu kommen.
(30:34) Zahlen, Daten, Fakten und Studienergebnisse können nie beim Gegenüber zu einer Meinungsumkehr oder zum Überdenken der eigenen Position führen.
(30:44) Gefühle erreichen uns dort, wo es Fakten gar nicht hinschaffen.
(30:47) Es heißt nicht, dass wir Fakten nicht brauchen, aber die emotionale Ebene ist der Türöffner.
(32:20) Ich bin der Meinung, dass einige politische Akteure nicht die Lösung des Migrationsproblems wollen, sondern das Problem brauchen.
(38:43) Ich bin in diesem Feld unverbesserlich weil seit zehn Jahren rede ich mir den Mund fusselig und bin nicht kleinzukriegen.
(39:48) Gerade in rechten und rechtsextremen Kreisen sieht man, dass gerade der Antimigrationsdiskurs ganz stark an einen Anti-Eliten-Diskurs gekoppelt ist.
(41:04) Langzeitstudien zeigen deutlich, dass sich die Einstellung der Mehrheit der europäischen Bevölkerung zum Thema Migration und Flucht in den letzten 20 bis 30 Jahren immer mehr zum Positiven entwickelt hat.
(41:47) Der Kontrollverlust wird ganz stark suggeriert, indem man zum Beispiel Bilder hat von überlaufenen Camps und Zelten.
(43:10) Die Kämpfe, die man austrägt, sollte man weise auswählen.
(46:14) Wir sind in dieser reizüberfluteten Empörungsgesellschaft und da braucht es auch Ventile, und vor allem braucht es da leider Sündenböcke, und das sind oft geflüchtete Menschen.
(53:04) Man könnte positive Beispiele zeigen, gar nicht um negative zu übertünchen, aber um auch einen Ausweg und Lösungsansätze zu zeichnen.
(55:43) Ich glaube, das Wichtigste, was im Subtext passiert, ist die schleichende Dehumanisierung, also das Fremdermachen von gewissen Personengruppen.
(57:01) Rassismus ist nichts anderes als Dehumanisierung, es ist die Idee: „Der ist nicht in der gleichen Kategorie Mensch wie wir“.
(1:04:20) Die Emotionen sind der Türöffner, damit mich dann die Fakten auch wirklich erreichen. Da fehlt es uns momentan an guten Rezepten.
(1:12:56) Humor und Satire sind probate Mittel, gerade auch bei Populisten, weil damit sie sich schwer tun, und Populisten sind auch die, die keine Selbstironie haben.
(1:14:04) Kein Autokrat will sich selber als Karikatur sehen.
(1:15:05) Die Aufgabe von Kunst ist sowieso nur zu triggern und zu reizen.
(1:16:26) Nachrichtenvermeidung und mehr Konsum von sozialen Medien sind eine toxische Mischung.
(1:19:23) Was gerade jetzt wichtig wäre: Zumindest haben wir noch eine Gesprächsbasis und können uns darauf einigen, nicht einer Meinung zu sein.
(1:25:15) Ich glaube überhaupt, dass die Lüge das Thema ist, das als Bedrohung für die offene und tolerante Gesellschaft gesehen werden kann.
(1:26:51) Wenn wir uns irgendwann nicht mal mehr darauf einigen können, in welcher Wirklichkeit wir leben, wie wollen wir uns darauf einigen, wie wir diese Wirklichkeit besser gestalten.
(1:29:33) Wir haben auch Tendenzen, die in Richtung einer progressiveren, gleichberechtigteren Welt zeigen.